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| 27. Dezember 2023 - Es geht noch viel irrer: Am Tag vor dem offiziellen Verkaufsstart legte Kaufland die Preis-Latte auf ein neues Rekordhoch im Amateurbereich. Sinnvollerweise ist der Sprengsatz "Berserker" fertig verkabelt. Wenn Sie 280 Böller um Mitternacht mit besoffenem Kopf von Hand anzünden müssten, wären Sie wahrscheinlich noch beschäftigt, wenn die Heiligen drei Könige um die Ecke kommen. |
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Von feinem Humor zeugt die Maßnahme, den Horror-Preis für das 80-Sekunden-Inferno mit dem Attribut "nur" zu versehen. Für das Geld bekommen Sie (Stand 27.12.) bei meinem Lieblings-Italiener Luigi Ventroni im "La Masseria" auf Rothe Erde (neben Kappertz) vier dicke Filetsteaks mit ordentlich Pfeffersauce, Pommes und Gemüse. Und mit denen sind Sie auch nicht nach 80 Sekunden fertig. |
24. Dezember 2023
Einmal quer durchs
Knaller-Sortiment: 726,60 Euro
Heiligabend, morgens. Während sich weihnachtliche Besinnlichkeit am Frühstückstisch breitmacht, fällt aus der Sonntagszeitung der aktuelle Lidl-Prospekt. Und schon ist es mit der Ruhe vorbei.
16 farbenfohe Seiten Bomben, Böller, Knistersterne und alleine auf einer Doppelseite mehr Raketen als Jürgen B. Hausmann in einer ganzen Karnevalssession bekommen dürfte.
Ein kleiner Streifzug durchs Waffenarsenal: 55 verschiedene Artikel, höher, bunter, lauter, es blitzt und kracht in einem Preisspektrum von "den Kindern zuliebe" über "ist doch nur einmal im Jahr" bis "wie bescheuert muss man für sowas eigentlich sein".
Da möchte man bei dem ganzen Gejaule und Gepfeife mit keinem Haustier tauschen, und angesichts der heraufziehenden Feinstaub-Belastung um Mitternacht dürften nicht nur der berüchtigten Deutschen Umwelthilfe die Haare zu Berge stehen. Womit sie ausnahmsweise mal Recht hat.
Zwei Minuten Feuerwerk für 54,99 Euro
Das größte Loch ins Portemonnaie sprengt die Batterie "Rising Colours" mit 93 Schuss. Ein gewaltiger Karton, der von oben so aussieht als hätte sein Besitzer ein ganzes Jahr lang die leeren Klopapierrollen gesammelt, um sie am letzten Tag des Jahres in die Luft zu jagen.
Da können Sie dann Sie miterleben, wie sich innerhalb von zwei Minuten 54,99 Euro in 40 bis 50 Metern Höhe in Schall, Rauch und bunte Lichtfontänen verwandeln. Das waren in Altwährung mehr als 100 Mark.
Rechnen Sie das mal aus: Ein Mindestlohn-Empfänger muss mehr als vier Stunden schuften, damit es einmal hoch über seinem Kopf "Kaa-wumm" macht. Also gut, 93 mal. In 120 Sekunden. Als ob das ein Unterschied ist.
Wenn Sie im Zwei-Minuten-Takt eine Batterie nach der anderen abfeuern, sind Sie eine Stunde nach Beginn des neuen Jahres um cirka 1650 Euro ärmer. Mit soviel Geld muss mancher Rentner einen Monat lang auskommen und manche Rentnerin sogar zwei.
Die ganze Show, nur um die Nachbarn zu beeindrucken
Fahren Sie mal am Neujahrsmorgen durch die Stadtteile, wo die Leute wohnen, die sich das ganze Brimborium eigentlich nicht leisten können. Nachts den größten Rabatz, morgens die höchsten Müllberge. Man landet schnell bei Begriffen wie "dicke Hose" und "Imponiergehabe".
In manchen Straßenzügen und Bevölkerungsschichten wird vermutlich in einer einzigen Nacht die soziale Rangordnung für das gesamte kommende Jahr festgelegt.
Für den Preis einer einzigen Batterie "Rising Colours" bekommen Sie alternativ 22 Feuertopf-Kombinations-Batterien vom Typ "Discovery" mit jeweils 16 Schuss. Die kosten nur 2,49 Euro, sorgen aber auch nur 20 Sekunden lang für Spektakel. Immerhin fliegen auch die Feuertöpfe 35 Meter hoch.
Im Grunde ist das sowieso alles nur was für die Nachbarn. Die Hobby-Pyrotechniker, die für das Geballer die ganze Kohle hingeblättert haben, stehen unten drunter und bekommen von dem Spektakel bis zu 50 Meter über ihnen am wenigsten mit.
Damals, als die Amis noch zum Mond flogen, wäre niemand auf die Idee gekommen, sich an Cape Kennedy unter die Rakete zu stellen, um den Start besser sehen zu können. Aber in der Silvesternacht in Aachen finden das erstaunlich viele Menschen normal.
Feuerwerksverbot in der Innenstadt
Wenn Sie jeden der 55 Artikel, die auf den 16 bunt bedruckten Seiten abgebildet sind, nur einmal kaufen, hätte die Kassiererin am Ende gerne 726,60 Euro von ihnen.
Insofern sind die Bewohner der Innenstadt gut dran. Die können im neuen Jahr für das gesparte Geld mal lecker essen gehen.
Denn innerhalb des Grabenrings herrscht auch in diesem Jahr wieder ein strenges Böller- und Raketenverbot. Ein Brand wie in der Nikolauskirche in der Silversternacht 2010 soll sich nicht wiederholen. Also seien Sie vernünftig.
Ich wünsche Ihnen nächste Woche einen ruhigen Jahreswechsel und danach: Guten Appetit, während Ihre Nachbarn den nassen Papiermatsch vor der Tür zusammenkratzen.

Verballert und verfeuert: Selbst in den Corona-Jahren, als der Verkauf von Silvester-Feuerwerk offiziell verboten war, lag der Umsatz in Deutschland noch bei 20 bzw. 21 Millionen Euro. // Quelle: Statista / Grafik: Ulrich Simons |
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