
Müll-Hotspot an der Hermann-Löns-Allee. Die Stadt will künftig in einem solchen Chaos nach den Adressen der Vorbesitzer suchen und denen dann erklären, dass man sowas eigentlich nicht darf. // Foto: Ulrich Simons |
23. November 2023
Wilder Müll: "Waste Watcher"
suchen nach den Absendern
Eine rührende Geste der Hilflosigkeit war am Wochenende der AZ eine halbe Zeitungsseite samt Foto wert: Fünf Kontrolleure des Aachener Stadtbetriebes sollen künftig in wild abgelagertem Müll auf Spurensuche nach dem Verursacher gehen.
Die Fünf heißen natürlich nicht "Müllkontrolleure" sondern auf Pseudo-Englisch "Waste Watcher". Den Begriff findet man in keinem Wörterbuch, und die alberne Alliteration soll wohl an "Weight Watchers" erinnern, die mit der ganzen Sache aber nichts zu tun haben.
Abgesehen davon sind fünf Leute Plural, also müsste es korrekt "fünf Waste Watchers" heißen.
Das Problem der Mülldetektive ist: Sie werden immer einen Schritt hinter den Verursachern operieren und erst die Arbeit aufnehmen können, wenn Müll, Sperrgut und Elektroschrott bereits die Landschaft verschandeln. Ob der geballten Rücksichtslosigkeit dann wie geplant mit Aufklärung und Kuschel-Pädagogik beizukommen ist?
Als ob die Müllferkel nicht längst wüssten, dass ihr Treiben verboten ist. Sonst würden sie ja wohl kaum mit ihrem Gerümpel nachts in den Aachener Wald oder zum Hangeweiher fahren, sondern den Schrott gleich vor ihrer eigenen Haustür abstellen, in der Hoffnung, dass ihn schon jemand mitnimmt.
Und wenn dann mal tatsächlich einer ermittelt werden kann, droht ihm nicht etwa eine deftige Strafe, sondern erst mal ein "Aufklärungsgespräch". Und wenn er dann verspricht, dass er das nie mehr wieder tun wird, kommt er vermutlich mit einem blauen Auge davon. Kindergarten.
Wilder Müll: Ausgaben 1,3 Millionen, Einnahmen 1926,50 Euro
Für die Stadt ist der wilde Müll ein gewaltiger Kostenfaktor: Eine Million Euro kostet die Entsorgung pro Jahr. Künftig kommen noch die "Waste Watchers" inklusive Dienstfahrzeugen mit 350.000 Euro hinzu. Das sind fixe Kosten von 1.350.000 Euro pro Jahr, die wir alle mit unseren Steuergeldern bezahlen.
Diesem gewaltigen Betrag stehen auf der Einnahmenseite in diesem Jahr 1926,50 Euro an Bußgeldern aus 24 Verfahren gegenüber. Das macht pro Verfahren im Schnitt 80,27 Euro - eine lächerliche Strafe.
Dabei sieht der Bußgeldkatalog des NRW-Umweltministeriums eine durchaus abschreckende Bandbreite vor. Sie reicht von 100 Euro für die wilde Beseitigung einzelner kleinerer (Hausmüll-) Gegenstände wie zum Beispiel Zigarettenstummel, Einweg-Kaffeebecher, Pappteller, Obst- und Lebensmittelreste über Küchengeräte oder Getränkedosen bis zu 50.000 Euro und mehr für die vorsätzliche Ablagerung größerer Mengen umweltgefährdender Stoffe, wie Altöl, Farben oder Bauschutt.
Eine der Ursachen für die wilde Müllverklappung dürfte die kostenpflichtige Sperrmüllabfuhr sein. Drei Kubikmeter kosten 15 Euro, danach gibt es einen Termin. Soll das Gerümpel innerhalb einer Woche abgeholt werden, kann man einen "Express-Termin" buchen. Dann sind 60 Euro fällig. Die Versuchung ist offenbar groß, sich das Geld zu sparen.
Dabei könnte der größte Teil des Mülls, der sich regelmäßig z.B. am Hotspot Hermann-Löns-Allee ansammelt, kostenlos am Recyclinghof in der Kellershaustraße oder im Gewerbegebiet Brand (inklusive Elektro-Kleingeräte und Gartenabfälle) abgegeben werden.
Was daran bequemer sein soll, den Mist bei Nacht und Nebel an einem unbeobachteten Ort zu verklappen, müsste man mal die Besitzer fragen. Wenn man mal einen erwischt.
Die Adresse im Müllsack beweist gar nichts
Clevere Zeitgenossen werden den Hinweis auf die Arbeitsweise der "Waste Watcher" dankbar zur Kenntnis nehmen und künftig noch stärker darauf achten, in ihren wild verklappten Hinterlassenschaften keine Informationen zu hinterlassen, die die Mülldetektive auf ihr Spur bringen könnten.
Noch cleverere Abfallentsorger erkennen in dem neuen Projekt gar einen hübschen Ansatz, dem Nachbarn, Arbeitskollegen, Vereinskameraden oder der Ex-Freundin eins auszuwischen, indem sie ein fingiertes Absenderdokument unter den Müll schmuggeln.
Das Ordnungsamt wird nicht lange fackeln, dort ist man offenbar wenig zimperlich bei der Auswahl seiner Kundschaft. Da reicht schon ein Verdacht, um die Verwarnungsgeld-Keule auszupacken, und dann können Sie ja mal versuchen zu beweisen, dass der Müll nicht von ihnen ist. Beweislastumkehr nennt das der Jurist.
Fragen Sie mal Carmelo Licitra, der unverschuldet in die Mühlen der Bürokratie geraten ist. Seit vier Wochen warte ich auf die Nachricht vom Ordnungsamt, dass man dort den Irrtum erkannt und das zu Unrecht erhobene Verwarnungsgeld erstattet hat.
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