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"Journalismus heißt, etwas zu drucken, von dem jemand will, dass es nicht gedruckt wird. Alles andere ist Public Relations."
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Ulrich Simons

Ulrich Simons
Redakteur (1987 bis 2019)
Fotojournalist (seit 1976)
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Ulrich Simons - Höverhaus

Als ob die Druckwelle einer gewaltigen Explosion hindurchgefegt wäre: Eine junge Hausbesetzerin hockt fassungslos und erschüttert in dem, was das Rollkommando der Consulting von ihrem Zimmer und ihren persönlichen Utensilien übriggelassen hat. // Foto: Archiv Ulrich Simons

 

27. August 2021

Vor 40 Jahren:
Der Sturm aufs Höverhaus

Es war - wie die "Aachener Nachrichten" am folgenden Tag auf ihrer ersten Lokalseite titelten - eine "Orgie der Gewalt", die am frühen Morgen des 27. August, heute vor 40 Jahren, über das Johannes-Höver-Haus hereinbrach.

Auch vor 40 Jahren war in Aachen preiswerter Wohnraum schon Mangelware, und so hatten am 22. Mai eine Gruppe junger Leute, überwiegend Studentinnen und Studenten, das ehemalige Kloster und Lehrlingsheim der Armen Brüder vom Heiligen Franziskus an der Rütscher Straße 182 am Fuße des Lousberges besetzt, um den geplanten Totalabriss zu verhindern.

 

1,7 Millionen für die "Armen Brüder"

Eigentümerin war zwei Jahre zuvor die Stuttgarter Consulting AG geworden, die den Armen Brüdern das Haus im Grünen für 1,7 Millionen Mark abgekauft und den Ordensnamen damit vorübergehend infrage gestellt wenn nicht sogar ad absurdum geführt hatte.

Die Consulting war des Treibens in ihrer Neuerwerbung inzwischen überdrüssig geworden und hatte in Köln ein 40-köpfiges Rollkommando angeheuert mit dem Auftrag, die Bewohner "nach draußen zu bitten", das Haus unbewohnbar zu machen und die Consulting in die Lage zu versetzen, über ihre Immobilie verfügen zu können. Die wollte dort nach dem Abriss Luxushäuser errichten.

Kurz nach 5 Uhr am frühen Morgen des 27. August 1981 stehen die Herren aus der anderen Domstadt in der Rütscherstraße vor der Tür. Sie klopfen nicht, sondern fallen gleich mit der Tür ins Haus. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Durch meine damalige Tätigkeit als freier Fotograf u.a. für die "Aachener Nachrichten" hatte ich mir bei der Besetzung und Räumung (Foto rechts) der Häuser am Templergraben im Mai/Juni 1980 in der Hausbesetzerszene einen gewissen Bekanntheitsgrad erworben.

Irgendwie muss ich dann auf einer Telefonliste gelandet sein, mit deren Hilfe die Besetzer bei Bedarf ihre über die Stadt verteilten Sympathisanten verständigen konnten. Um 5.27 Uhr klingelt auch bei mir das Telefon, kurz vor sechs bin ich vor Ort ...

 

Ulrich Simons - Räumung Templergraben

Foto: Archiv Ulrich Simons

 

Ulrich Simons - Höverhaus

Aufgeladene Atmosphäre: Mit einer Axt in der Hand versucht ein Mitglied des Rollkommandos lautstark, die inzwischen eingetroffene Verstärkung der Hausbesetzer in Schach zu halten. // Foto: Archiv Ulrich Simons

 

Am Johannes Höver Haus ist der Teufel los. In Höhe der Studententürme werde ich von Bäcker Manni K., im Nebenberuf Hausbesetzer, in Empfang genommen. "Hast Du einen Feuerlöscher?" Ich verneine. Erst später sehe ich, wozu er den gebraucht hätte.

Ich montiere den großen Metz-Blitz an meine Nikon F2A, dann machen wir uns auf durchs Halbdunkel ins Epizentrum des Krawalls.

Die Männer des Rollkommandos, mit Äxten, Spitzhacken, schweren Hämmern und Bauhelmen ausgerüstet, hatten die rund 30 Besetzer im Schlaf überrascht und aus dem Haus gejagt. Dann begannen sie im Inneren des Hauses ihr Zerstörungswerk.

"Erst mal haben wir den Krach gehört und das Klirren von Scheiben, dann sind wir nach draußen gegangen, und da haben die mit den Äxten schon alles eingeschlagen", schildert später eine junge Frau aus der Besetzergruppe die dramatischen Minuten.

 

Rütscherstraße im weißen Feuerlöscher-Nebel

Die vertriebenen Besetzer haben inzwischen die herbeitelefonierte Verstärkung aus der ganzen Stadt bekommen. Hilflos müssen sie auf der Straße das Treiben mitverfolgen, während aus dem Inneren des Hauses der Lärm von splitterndem Holz, klirrenden Scheiben und zerberstendem Porzellan zu hören ist.

Im Eingangsbereich kommt es zum Zusammenstoß mit Vertretern des Rollkommandos. Über die Straße zieht weißer Nebel aus Feuerlöschern, mit deren Hilfe die Mitglieder des Abbruchunternehmens den Eingang verteidigen.

Dann fliegen die ersten Steine in Richtung Glastür ...

 

Die Rache der Besiegten: Mit vereinten Kräften wird ein VW-Bulli, mit dem das Rollkommando angereist war, an der Rückfahrt nach Köln gehindert. // Foto: Archiv Ulrich Simons

 

Einige der vertriebenen Besetzer lassen ihre Wut inzwischen vor dem Haus an den Fahrzeugen des Rollkommandos aus. Mit zehn Mann wird der Bulli, mit dem die Kölner angereist sind, in eine stabile Seitenlage befördert.

Unterdessen eskaliert die Situation im Eingangsbereich vollends. Mit Benzin gefüllte Bierflaschen fliegen in die Tür, kleine Feuerchen flackern auf. Die Polizei war mal kurz in kleiner Besetzung da, hat sich aber wieder zurückgezogen und verfolgt das Treiben aus sicherer Entfernung.

Aus dem umgekippten Bulli des Räumkommandos lodern plötzlich Flammen. Drohungen wie "Ihr kommt hier nicht mehr lebend raus!" werden über die Straße in Richtung Höver-Haus gerufen.

 

Der Räumtrupp sitzt in der Falle

Die Abbruchunternehmer, inzwischen mit ihrer zerstörerischen Arbeit weitgehend fertig, merken, dass sie in der Falle sitzen. Daraufhin wechseln sie schlagartig die Tonlage und bitten um freien Abzug. Sie seien angeblich nicht darüber informiert gewesen, dass das Haus noch bewohnt war.

Der Wunsch wird ihnen aus nachvollziehbaren Gründen von den vor dem Haus versammelten Besetzern und ihren Mitstreitern nicht erfüllt.

Einen Ausfallversuch des gesamten Räumtrupps können die Besetzer erfolgreich zurückschlagen, mehrere der Ausbrecher werden bei der Aktion verletzt, einer landet mit gebrochenem Bein im Hang neben dem Höverhaus, und so trifft man sich schließlich zum Meinungsaustausch in der Kapelle.

Die Stimmung ist explosiv.

 

Ulrich Simons - Höverhaus

In der Hauskapelle entwickelten sich nach Abbruch der Zerstörungsaktion hitzige Wortgefechte zwischen den Besetzern und den behelmten Männern des Kölner Rollkommandos. // Foto: Archiv Ulrich Simons

 

Nachdem die Männer ihre "Waffen" abgelegt haben, gibt der Anführer des Rollkommandos eine ziemlich wirre Erklärung ab, in der er den Einsatz als "Fehler" bezeichnet.

Der Auftrag zur Unbewohnbarmachung des Hauses sei unmittelbar von der Consulting AG gekommen. Er und seine Männer seien zwei Tage zuvor in Köln auf Baustellen angeworben worden. Zwei Sätze später behauptet er, es handle sich überwiegend um Arbeitslose.

 

"Irgendwie machen, dass ich hier rauskomme"

Der Einsatz habe seinen Leuten und auch ihm jeweils 300 Mark gebracht, die sie im voraus erhalten hätten. Zwei Sätze zuvor hatte er noch zu Protokoll gegeben, das Geld solle über einen ihm unbekannten Mittelsmann auf ein Konto überwiesen werden.

Und schließlich der Appell: "Leute, wir wollen doch friedlich sein, wir können doch auch nichts dazu. Uns wurde gesagt, wenn es brenzlig für uns würde, käme die Polizei. Das ist offenbar nicht der Fall. Jetzt will ich nur eins: Irgendwie machen, dass ich hier rauskomme."

 

Ulrich Simons - Höverhaus

"Können Sie mich hören?" - Der Anführer des Kölner Rollkommandos im intensiven Gespräch mit dem damaligen Ausländerreferenten der ev. Studentengemeinde, Johannes Kube (+ 2017), der an vorderster Front für den Erhalt des Höverhauses mitkämpfte. // Foto: Archiv Ulrich Simons

 

Ein Rundgang durch das verwüstete Haus offenbart das ganze Ausmaß der Schäden. Wie von Sinnen müssen die Männer des Rollkommandos in den Räumen der geflüchteten Besetzer gewütet haben. Keine Tür hängt mehr in den Angeln, in den Fensterrahmen steckt keine intakte Scheibe mehr.

Waschbecken und Toilettenschüsseln sind zertrümmert, aus gebrochenen Rohrleitungen ergießt sich Wasser in das ganze Chaos. Selbst persönliche Gegenstände der Besetzer sind kurz und klein geschlagen.

Irgendwann ist dann doch noch die Polizei in größerer Besetzung vorgefahren.

"Das Höver-Haus ist heute eine sinnlose Ruine von innen. Und nicht die Besetzer, sondern die Besitzer haben das angerichtet", schreibt AVZ-Redakteur Herwig Fassbender einen Tag später in einem Kommentar.

 

Ulrich Simons - Höverhaus

Alles kurz und klein geschlagen: In den ehemaligen Waschräumen und Toiletten ist kein Teil heil geblieben. An Porzellanbecken und Ablagen erinnern nur noch die aus den Wänden ragenden Halterungen. // Foto: Archiv Ulrich Simons

 

Die Stuttgarter Consulting hat mit dem Johannes-Höver-Haus kein Glück. Sie beginnt zwar noch mit dem Umbau, muss jedoch 1985 Insolvenz anmelden.

Der umkämpfte rechte Gebäudeflügel wurde später abgerissen und neu aufgebaut.
Heute ist das Johannes-Höver-Haus ein Studentenwohnheim. (aktuelle Fotos von Robert Mehl)

 

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© Ulrich Simons
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