Wenn die Bezirksvertretung Aachen-Mitte am Mittwoch grünes Licht gibt, müssen sich rund 80 Autobesitzer an der Lütticher Straße zwischen Klemensstraße und Amsterdamer Ring einen neuen Parkplatz suchen. Einkäufe vor der Haustür ausladen können sie dann auch nicht mehr. Die Stellplätze an der "Mannebach-Seite" sollen wegfallen, hier soll künftig stadtauswärts ein 2,30 Meter breiter, baulich von der Fahrbahn abgetrennter Radweg (Protected Bike Lane) langführen. // Zeichnung: Stadt Aachen |
Aktualisiert 07. November 2020
Lütticher Straße: "Fahrrad-Autobahn"
statt Parkplätze am Straßenrand
Mannebach war nur der Anfang: Als die Stadt vor gut einem Jahr vor und hinter der Einmündung des Hasselholzer Weges insgesamt 12 Parkplätze einkassierte, um den in die Lütticher Straße einbiegenden Autofahrern die Sicht zu erleichtern, war die Empörung groß.
Doch es könnte noch schlimmer kommen.
Am Mittwoch, 11. November, beschäftigt sich die Bezirksvertretung Aachen-Mitte (17 Uhr Ratssaal, Rathaus, öffentlich, Maskenpflicht) mit der zweiten Phase des Umbaus der Lütticher Straße zwischen Limburger Straße und Hohenstaufenallee/Amsterdamer Ring.
Das Thema war eigentlich schon durch, dann kam im vergangenen Jahr der "Radentscheid", vor dem der gesamte Stadtrat bis auf die FDP einknickte, und dann waren die alten Pläne nur noch Makulatur. Denn zur Förderung des Radverkehrs verpflichtete sich die überwiegende Ratsmehrheit u.a. zum Bau geschützter Fahrradstreifen, so genannter Protected Bike Lanes (PBL), an den Ausfallstraßen.
Wenn Sie mit dem Begriff PBL nichts anfangen können, fahren Sie mal zum Ponttor. In Fahrtrichtung AudiMax können Sie eine solche Fahrradautobahn besichtigen.
Fast 80 Parkplätze sollen wegfallen
Unter den Entwürfen, die die Verwaltung für die Neugestaltung des Abschnitts zwischen Limburger Straße und Amsterdamer Ring erarbeitet hat, hat die "Variante 2" derzeit die größten Erfolgsaussichten.
Sie sieht vor, ab der Klemensstraße in Fahrtrichtung Belgien den Parkstreifen vor den Häusern mit den geraden Nummern ersatzlos zu streichen und an seiner Stelle gemäß dem im vergangenen Jahr beschlossenen Radentscheid eine so genannte "Protected Bike Lane" einzurichten.
Auf der gegenüberliegenden Seite ist nur noch Längsparken parallel zur Fahrbahn vorgesehen. Rund 80 Parkplätze werden auf diesem Abschnitt wegfallen, in dem längst nicht alle Häuser über eine Garage verfügen. Die Anwohner werden auf dieser Straßenseite nicht mal mehr halten können, um ihre Einkäufe auszuladen. Handwerker? Lieferanten? Besucher? Gibt es vermutlich für die Leute mit den geraden Hausnummern demnächst nicht mehr. Wer plant so einen realitätsfernen Käse?
Wenn die Bezirksvertretung am Mittwoch die Variante 2 durchwinkt, hat am 17. Dezember der Mobilitätsausschuss das letzte Wort. Dann ist der planerische "Geniestreich" nicht mehr zu stoppen.
Dutzende Autos, aber kein einziger Radfahrer: Die Lütticher Straße am Samstagmorgen. Wenn es nach den Plänen der Verwaltung geht, wird künftig statt des Parkstreifens eine 2,30 Meter breite Fahrradspur eingerichtet, auf der sich dann auch Lasten-Fahrräder problemlos überholen können. // Foto: Ulrich Simons |
Vor allem für die Bäckerei Mannebach an der Ecke Hasselholzer Weg dürften nach der Neuaufteilung der Fahrbahn schwere Zeiten anbrechen, wenn die "Stop-and-Go-Kundschaft" mangels Haltemöglichkeiten wegfällt.
Seniorchef Dag Mannebach befürchtet sogar das Ende für seine Bäckerei und Konditorei. Der Mann war schon im vergangenenn Jahr ganz oben auf der Palme, als die Stadt zwölf Parkplätze vor seiner Haustür ohne jede Ansage einkassierte.
"Wie viele Betriebe wollen diese "Planer" denn noch zerstören?" fragt er vorwurfsvoll in Richtung Verwaltung. "Wir haben als kleiner Handwerksbetrieb mit zehn Mitarbeitern keine Perspektive mehr. Wir sind auf Parkmöglichkeiten angewiesen, vor allem für unsere Kunden aus Belgien, die kurz anhalten und dann weiterfahren."
Das könnte in der Tat demnächst schwierig bis unmöglich werden. Oder aber über Hasselholzer und Moreller Weg bricht eine Parksuchlawine ungeahnten Ausmaßes herein.
Öffentlichkeitsbeteiligung angekündigt
Die Verwaltung kündigt in ihrer Vorlage für den Ausschuss die "Durchführung einer Öffentlichkeitsbeteiligung" an, sprich: Die betroffenen Anwohner sollen auch irgendwann einmal gehört werden. Am besten wäre das natürlich, bevor alles beschlossen und nichts mehr zu ändern ist.
Größtes Ärgernis dürfte aber sein, dass die demnächst Parkplatz-losen Anrainer nach Abschluss der Maßnahme auch noch für die Verschlechterung ihrer Wohnsituation zur Kasse gebeten werden. Zitat aus der Vorlage für Bezirksvertretung und Ausschuss:
"Die Maßnahme löst eine Beitragspflicht gemäß §8 Kommunalabgabengesetz NRW (KAG NRW) aus, da sie eine Verbesserung bzw. Erneuerung darstellt."
Geradezu zynisch muss für die Anwohner des betroffenen Straßenabschnitts in diesem Zusammenhang die Definition des Begriffes "Beitrag" in §8 (2) des KAG NRW klingen:
"Beiträge sind Geldleistungen, die dem Ersatz des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung und Erweiterung öffentlicher Einrichtungen und Anlagen im Sinne des § 4 Abs. 2, bei Straßen, Wegen und Plätzen auch für deren Verbesserung, jedoch ohne die laufende Unterhaltung und Instandsetzung, dienen. Sie werden von den Grundstückseigentümern als Gegenleistung dafür erhoben, daß ihnen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtungen und Anlagen wirtschaftliche Vorteile geboten werden."
Das Bild oben zeigt den derzeitigen Zustand, die Skizze unten die schon beschlossenen Pläne mit Fahrradschutzstreifen wie im Teil der Lütticher Straße zwischen Klemensstraße und Schanz. Nach dem Radentscheid war diese Planung hinfällig geworden. // Zeichnungen: Stadt Aachen
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Die Planungsvarianten mit allen Details
im direkten Vergleich und auf einen Blick
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